Tausende erleben die Landschaft
8. September 2014 Frankfurter Neue Presse. Von Georgia Lori. Eine Route lud zum Feiern ein: Wer Zeit und Lust hatte, konnte am gestrigen Sonntag überall entlang der 190 Kilometer langen Regionalpark-Rundroute Erholung und Erlebnis finden. Mehr als 60 Veranstaltungen waren hierzulande geboten.
Höfe öffneten ihre Türen und gaben Einblick in die Landwirtschaft, Sehenswürdigkeiten durften erkundet und Gasthäuser besucht werden. Das alles entlang der Regionalpark-Route, die dem alten Verlauf der Hohen Straße weitgehend folgt. Der 23 Kilometer lange Abschnitt von Frankfurt bis Hammersbach-Marköbel war zum zehnten Mal voll besucht.
Radlern und Wanderern wurde wieder Unterhaltung pur geboten. Neben Rastplätzen gab es Leseecken und Spielmöglichkeiten für Kinder. Hinzu kamen reizvolle Aussichtspunkte, Grabhügel, Streuobstwiesen oder alte Alleen. Historische Bezüge des Waren- und Informationsaustausches werden auf diese Weise in die heutige Zeit übersetzt.
Der Höhenweg war einst für den Handel ziemlich bedeutend. Über diesen Weg kamen Bernstein- und Bronzearbeiten in das Fuldaer Land. Der Haupthandel zwischen den Messestädten Frankfurt am Main und Leipzig lief ebenfalls über die Hohe Straße. Strategisch wichtig war die Hohe Straße im Dreißigjährigen Krieg, zu Napoleons Zeiten und während der deutschen Kaiserzeit.
Doch kaum einer der unzähligen Wanderer, Radfahrer, Jogger, Reiter oder Skater hatten am Sonntag die Hintergründe abrufbereit. „Die Geschichte der Hohen Straße ist mir nicht bekannt. Ich bin mit dem E-Bike unterwegs“, gestand Hans-Jürgen Hund aus Nidderau. Das gemeinsame Unterwegssein mit Kind und Kegel stand bei den meisten im Vordergrund. Aber auch Leseecken wurden gut angenommen.
Bücher waren wichtige Handelsware zwischen den Messestädten. Um diesen historischen Bezug erlebbar zu machen, waren Bänke zur Lektüre eingerichtet. Die Radfahrer Marlies Greiner und Klaus Engel aus Bruchköbel machten in Windecken mit einem spannenden Buch Rast. Der Förderverein der Stadtbücherei Nidderau bot Kaffee und Kuchen und ein Gewinnspiel an.
Eine Menge Geschichten erzählen könnte auch der Wartbaum, eine um das Jahr 1600 in Windecken gepflanzte Linde. Truppenaufmärsche zu der Befreiung Frankfurts und Hanaus zogen an ihm vorbei, das Gedenken der Völkerschlacht bei Leipzig fand ebenfalls dort statt. Zum Fest gab es in seinem Schatten Waffeln und italienisches Eis. Der Fahrrad Club ADFC, Ortsgruppe Nidderau-Schöneck, bot seinen Pannendienst an, verteilte Kartenmaterial und Sicherheitscodes.
Heinrich Quillmann bot für die Natur- und Kulturführer Wetterau-Vogelsberg-Taunus eine Rallye mit 18 Fragen rund um den Wartbaum an. Es winkten Urkunden. Wer wollte, konnte bei den Sternfreunden Nidderau einen Blick durch das Teleskop auf die Sonnenflecken der im Inneren fünf Millionen Grad heißen Sonne riskieren. „Die Sonnenflecken haben eine Temperatur von etwa 5500 Grad“, sagte Hobbyastronom Klaus Weisensee. Großen Zulauf erfuhr der Modell-Sport-Club (MSC) Schöneck mit Flugvorführungen von Hubschraubern, Kunstflugmodellen oder Segelflug-Gleitschirmmodellen.
„Auch Gäste dürfen mit eigenen Modellen fliegen“, sagte Robert Binder, Schriftführer des MSC. Am Galgenberg erhielten Besucher Einblick in das Innere einer 178 Meter hohen Windenergieanlage. Schachspiel unter freiem Himmel war bei den Schachfreunden Schöneck am neuen Windrad an der Abzweigung Wachenbuchen möglich. Die Nachbarschaftshilfe Schöneck versorgte Besucher an der Vogelnestschaukel außerdem mit Apfelwein, Brezeln und Muffins.
Zeitreise mit Nachtwächter
26. Juli 2014 Frankfurter Neue Presse. Von Georgia Lori. 150 Kilianstädter Bürger nahmen an der romantischen Nachtwächterführung teil. Der Ortsbeirat Kilianstädten und die Nachbarschaftshilfe Schöneck veranstalteten die Führung vor dem Hintergrund des Jubiläums „1175 Jahre Kilian Verein(t)“.
Immer mehr Menschen strömten auf den Steerer Kirchplatz. Auch nach Sonnenuntergang war es noch sehr warm. Dennoch hefteten sie sich rund zwei Stunden an die Fersen des Ostheimer Nachtwächters Helmut Brück und folgten ihm ab dem Kirchplatz durch den Schönecker Ortsteil.
„Die Resonanz ist überwältigend. Viele Familien mit Kindern sind gekommen und tragen Fackeln“, freute sich Ortsvorsteher Thorsten Weitzel (CDU), der an der Seite seiner Stellvertreterin Marianne Karrenbrock (FWG) die Menge begrüßte. Brück, ausgestattet mit Hellebarde und Laterne, ließ sich von den baulichen Gegebenheiten inspirieren. Davon ausgehend beschrieb er die Lebensverhältnisse und –bedingungen vergangener Kilianstädter Bürgergenerationen mit dem Schwerpunkt um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert.
Die von viel Humor geprägte und lebendige Führung ging vom Kirchplatz zur Schmiede in der Untergasse und den Platz der Republik zum Rathaus am Herrnhof. Auch markante Gebäude wie die Kulturscheune und die Kirche wurden in die Führung einbezogen.
„Der Nachtwächter sorgte im Mittelalter für Sicherheit. Er konnte Gesindel hinter Schloss und Riegel bringen“, sagte Brück. Ein Nachtwächter sei nicht sehr hoch angesehen gewesen. Denn er habe in der Dunkelheit gearbeitet. Ganz unten in der Hierarchie haben allerdings der Henker und Totengräber gestanden.
Neben vielen historischen Details klammerte Brück auch die Besonderheiten der Gebäude nicht aus. So wies er auf die Rähmbauweise im Spätmittelalter bei Fachwerkhäusern hin. Jedes Stockwerk wurde separat errichtet und schloss oben mit einem Rahmen (Rähm) ab. Durch die Stockwerkbauweise konnten die oberen Stockwerke über die Grundfläche des Hauses hinaus erweitert werden.
An der Schmiede ergänzte Brück die Führung mit musikalischen Einlagen, gemeinsam mit Kirsten Ludanek. Die beiden treten als Duo „Eigenart“ auf. Die Teilnehmer der Führung durften sich auf Gesang und historische Instrumente freuen. Für das Lied über Wandergesellen vor der Schmiede gab es viel Applaus. „Ich bin Polier, sauf nur noch Bier, ich bin ein Lump, sauf nur auf Pump!“, sang Brück.
Über den Herrnhof berichtete Brück, dass dieser 1901 von der Gemeinde gekauft und in eine Gemeindeverwaltung umgewandelt worden sei. „Der Platz der Republik hieß einst Adolf-Hitler-Platz und erinnert an die dunkle Geschichte Kilianstädtens“, sagte er. Über das Technische Rathaus konnte Brück berichten, dass dieses 1843 als Schule im französischen Klassizismus gebaut worden sei.
Eine Zeitreise durch das aale Steere (alte Kilianstädten) von der Schmiede bis zur Kirche, bieten der Ortsbeirat und der Landfrauenverein am Samstag, 6. September. Treffpunkt ist um 16 Uhr auf dem Parkplatz Bürgertreff.